Das Storchennest, der Erzgebirgsverein und die Parkfeste

Beginnen wollen wir unseren Artikel mit einer Postkarte, die seinerzeit in großer Auflage existierte, stets werbewirksam versandt wurde und wohl auch heute noch eine gewisse Bekanntheit hat:

Das Storchennest

Das Storchennest, erbaut 1905

Die Originalaufnahme ist nur grob datierbar, wohl zwischen 1905 (Baujahr der Hütte) und 1909. Die hier gescannte Postkarte lief postalisch am 16. Juni 1914.
Beim Storchennest handelte es sich um eine große, vom Erzgebirgszweigverein Einsiedel gebaute und unterhaltene Holzhütte, in der dieser einen kleinen Ausschank betrieb. Sie befand sich auf dem Plateau hinter der heutigen Gartensparte „Waldblick“, oberhalb der “Waldklause”.
Sowohl die Kuh also auch der Storch samt Nest waren aus Holz. Die Kuh hatte selbstredend vier Zitzen und konnte gemolken werden. Freilich gab es keine Milch, sondern Einsiedler Biere, aus jeder Zitze zapfte man eine andere Sorte.
Die Hütte wurde nicht ständig benutzt. Hochbetrieb herrschte allerdings hier seit 1912, als der Erzgebirgsverein sein jährliches Parkfest veranstaltete, was stets Tausende Besucher anlockte.
Während des Ersten Weltkrieges kamen die Parkfeste zum Erliegen, 1924 gab es dann die erste erfolgreiche Wiederauflage. Vom Reingewinn wurde eine erste Rate zum Kauf eines 4,42 ha großen Stückes des Spitzberggeländes oberhalb des ehemaligen „Waldesrauschen“ finanziert.

Winter am Waldesrauschen Einsiedel.

Das Spitzberggelände hinter Waldesrauschen ist auf die Karte gut erkennbar.

Die Gesamtsumme von 10.000 Mark aufzubringen erwies sich für den Verein als schwierig, hatte er doch 1916 eine Kriegsanleihe in Höhe von 6.000 Mark gezeichnet, die nun fast wertlos war. In alten Karten aus den 1920er Jahren finden wir auch den Eintrag „Volkspark“ für dieses Areal.
1926 gab es dann eine weitere Attraktion des Erzgebirgsvereins, die Sommerrodelbahn. Die obere Station war hier am Storchennest.

Am 5. März 1945 brannte auch das Storchennest beim anglo-amerikanischen Bombenangriff auf Einsiedel ab.

Storchennest bei Waldblick EinsiedelMit Freude können wir aber berichten, dass es auch heute ein „Storchennest“ in Einsiedel gibt. Nahe dem ursprünglichen Standort, in der Kleingartensparte „Waldblick“, ist man der Heimatgeschichte auf der Spur.

Das kleine Gartenhaus wird für vereinsinterne Funktionen und Feierlichkeiten genutzt. Und wenn ein Heimatforscher den Hinweis gibt, dass der Storch aufs Dach gehört, dann ist er kurze Zeit später genau dort. Wir freuen uns, dass hier ein Stück Einsiedler Geschichte aus der Vergangenheit zurückgeholt wurde!

 

Ganz anders sieht es am ehemaligen Original-Standort aus.

Isolatoren am Baum nahe der Waldklause

Zwölf Jahre vorher, am 20. August 2004, fanden wir an einem Baum den Weg hoch noch alte Isolatoren. Diese entdeckten wir nicht wieder, das Foto bekommt damit einen gewissen Seltenheitswert.

Die Reaktivierung des Storchennestes (ohne die Hütte als solches) setzte nämlich 1955 und 1980 zu den jeweiligen Jahrfeiern von Einsiedel ein, als auf dem Plateau verschiedene Veranstaltungen und Bewirtung stattfanden. (Einige behaupten zwar, da war gar nichts aufgebaut, dies ist aber falsch, weil für “nichts” zieht niemand Stromkabel nach oben).
Eine errichtete Tanzdiele wurde nicht nur zum Tanzen genutzt, sondern diente auch als Bühne für das Kinderfest und allerlei anderer Aktivitäten.
Aber weiter, oben angekommen hat sich seit unserer letzten Fotodokumentation 2004 vieles zum Schlechten geändert.

Hinweisschild Trimmplatz

Auf alle Fälle wissen wir jetzt, wozu die freie, weiße Fläche in der Mitte des Hinweisschildes dient.
Hier kann der Wegewart dann bei Bedarf das Wort „Ehemaliger“ nachtragen. Wir haben den Bedarf erkannt!

 

 

Parkfest Einsiedel historische Ansichtskarte

Plakette zum Anstecken, wohl die 1930er Jahre

Plakette zum Anstecken, wohl die 1930er Jahre

Parkfest Einsiedel

Rechts das wohl bekannteste Parkfest-Motiv, eine Ansichtspostkarte, die es in hoher Auflage gab. Diese wurde lange verwendet und auch heute noch findet der Sammler sie vereinzelt (und dann oft maßlos überteuert) in diversen Auktionshäusern. Die Karte lief postalisch am 10. September 1924, also im ersten Jahr nach der Wiederaufnahme der jährlichen Parktfestfeiern nach dem Ersten Weltkrieg. Das Motiv ist aber auch schon in früheren Jahren nachgewiesen, die älteste hier vorliegende Karte ist aus dem Jahre 1910.
Die Parkfeste wurden bis 1939 durchgeführt und dann gab es während des Krieges und in der Nachkriegszeit erst einmal lange Zeit keine derartigen Feierlichkeiten.

 

 

Eintrittsplakette 1958

Eintrittsplakette 1958

In den 1950er Jahren gab es schließlich eine Wiederbelebung der Parkfeste und der Nutzung des Areals. Einen großen Anteil daran hatte der „Kulturbund der DDR“, der quasi als Nachfolger des 1945 verbotenen Erzgebirgsvereins auftrat.
In welchen Jahren die Parkfeste stattfanden, ist nur lückenhaft nachzuweisen. Auf alle Fälle wurde das Gelände auch zu den Jahresfeiern von Einsiedel 1955 und 1980 entsprechend genutzt. Wir haben mal bissel in unserem Archiv gestöbert und präsentieren nachfolgend einige Bilder aus der guten, alten Zeit…

 

 

 

 

Reklamereiter Parkfest Einsiedel 1957

Fotos oben links und Mitte 1957. Links das Einsiedler Orchester unter der Leitung von Kurt Ficker, in der Mitte eine kleine Gesangsgruppe. Man achte dort auf die Steinterrasse im Vordergrund, wir kommen nachfolgend noch einmal darauf zurück.
Oben rechts ein Bild aus dem Jahre 1958. Maria Engelhardt, die uns das Foto zur Verfügung stellte, schrieb dazu: „Zum Parkfest 1958 hat meine Klasse, wir waren mit der 3.Klasse fertig und haben dann im September die 4. Klasse begonnen, Märchenbilder dargestellt. Nach meiner Erinnerung saßen wir in kleinen Nischen entlang des Weges oberhalb der Zwönitz in Richtung ehemaliger Sprungschanze.
Ich habe bei diversen Klassentreffen schon immer einmal versucht noch andere Bilder davon aufzutreiben. Man konnte sich zwar erinnern, daß auch das Märchen Sterntaler nachgestellt wurde, aber ein Foto hat mir noch keiner mitgebracht. Das Foto [oben rechts] soll König und Königin mit Dornröschen darstellen.
Foto rechts: Reklamereiter 1957

 

 

Der Erzgebirgszweigverein Einsiedel

Vorab: Für die Geschichte Erzgebirgsvereins verweisen wir auf dessen Website.

Gegenstand unseres kleinen Artikels soll natürlich der Erzgebirgszweigverein Einsiedel sein. Gemeindevorsteher Max Hugo Seydel war es, der unter dem 14. März 1890, diesen hier im Ort gründete. 16 Mitglieder zählte der Verein ganz am Anfang. Oberlehrer Jokisch war der erste Vorsitzende, er hatte dieses Amt bis 1921 inne. Von 1921 bis 1937 war es dann Oberlehrer Richard Möbius, der den Vorsitz hatte, ihm folgte der Berufschullehrer Erich Müller von 1938 bis zum Verbot des Vereins durch die sowjetische Besatzungsmacht 1945. Während Müllers Wehrmachtszeit bis zu seiner Verwundung und späteren Uk-Stellung führte der amtierende Schuldirektor Theodor Braun den Zweigverein kommissarisch.

Der Einsiedler Heimatforscher Ingobert Rost hat bezüglich der Vereins recherchiert und publiziert. Viele der oben und nachfolgend aufgeführten Daten stammen von ihm – dafür herzlichen Dank!

1925
… hatte der Einsiedler Zweigverein 226 Mitglieder, 1927 258, 1929 270 und dann als Höhepunkt 1931 kurzfristig 300. 1932 verließen 43 Mitglieder den Verein, vorwiegend aus finanzieller Not (Weltwirtschaftskrise).

1926
Der Verein baut unter der Leitung von Guido Riedel, Walter Wiedensee, Felix Neubert und Bernhard Billig die Sommerrodelbahn. Sie wird 1927 unter großer Anteilnahme der Einsiedler Einwohner eingeweiht.

1930
Die Bekrönung der Körnerhöhe mit einem Riesenpilz ist geplant, wir haben das (geplatzte) Vorhaben an anderer Stelle beschrieben.

1932
Weltwirtschaftskrise. Der Verein stellt 2.000 Mark und Material für den „Freiwilligen Arbeitsdienst“ (eine Art ABM) zur Verfügung. Der Stahlhelmbund ermöglichte mit diesen Mitteln etwa 30 jungen Einsiedlern für ein halbes Jahr eine Arbeitsmaßnahme und schuf einiges im Areal rund um die heutige Waldklause, was wir heute noch sehen und nutzen (siehe weiter unten).

1936
… fällt das Parkfest aus, da der wiehernde Amtsschimmel in Form der Amtshauptmannschaft Chemnitz ein Ausschankverbot wegen nicht erkennbarer Gemeinnützigkeit verhängte. Die übergeordnete Behörde, die Kreishauptmannschaft Chemnitz, erkannte diese dann an, allerdings war es für das Fest zu spät.

Werbeplakette Heimatfest Einsiedel 1940

Aus „Parkfest“ wird ab 1940 „Heimatfest“. Allerdings nur auf den Papier bzw. auf der oben bei der Druckerei Baßler erstellten Plakette, denn kriegsbedingt fanden ab 1940 keine derartigen Feste mehr statt.

1939
… gab es das vorerst letzte Parkfest in Einsiedel, während des Krieges fanden diese Volksvergnügen nicht mehr in Einsiedel statt.

1942
In seinen letzten vorliegenden Bericht vermerkt Vereinsvorsitzender (zeitlich korrekt: „Vereinsführer“) Müller, dass man zum Zeitpunkt noch 180 Mitglieder habe. Davon sind 33 einberufen. Zwei gefallenen Mitgliedern, dem Lehrer Dittrich und dem Friseur Meyer, wurde gedacht.
Müller beklagt, dass die Anlagen verfallen und weder Geld noch Material zur Verfügung steht. Auch notiert er zunehmenden Vandalismus im Parkfestgelände.

1945
… wurde der gesamte Erzgebirgsverein durch das Gesetz Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats vom 10. Juni 1945 liquidiert und Eigentum und Unterlagen beschlagnahmt.

1948
… wurde der Verein dann aus dem Vereinsregister in Aue gelöscht.

1955
… wurde in Göttingen ein neuer Erzgebirgsverein gegründet, der sich freilich auf das Gebiet der BRD beschränkte.

In der DDR wurde die Heimat- und Traditionspflege im „Kulturbund der DDR“ weitergeführt. So auch in Einsiedel. Die Anknüpfung an vergangene Zeiten, z.B. was die Mitgliederanzahl, das Engagement oder die Schaffung neuer Objekte betrifft, erreichte allerdings bei weitem nicht mehr die Vorkriegsintensität.

 

Einsiedel hatte dem Erzgebirgsverein viele Bauten und Veranstaltungen zu verdanken. Auch heute noch finden sich vereinzelt Hinweise, die in unsere Vergangenheit führen.

Unter maßgeblicher finanzieller und materielle Einbringung des Erzgebirgszweigvereins Einsiedel wurden die Parkfestterrassen geschaffen.

Auch der Soldatenweg und der Schwarze Weg wurden erneuert. Und die „Baracke“ wurde versetzt. In dieser befanden sich Gerätschaften, Tische und Stühle und allerlei anderes, was vor allem für die Parkfeste benötigt wurde. Die „Baracke“ stand dort, wo sich heute der „Spießgeselle“ befindet.

 


Heimatwerk Einsiedel sagt Danke!

 

 

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