Einsiedler Hauptstraße 64

Der „Strick-Beckert“

 

Einsiedler Hauptstraße 64 in den 1920er Jahren.

(Foto: Bernd Obermaier)

Das Mehrfamilienhaus in der Einsiedler Hauptstraße 64 auf einem Bild aus den 1920er Jahren.
In dieser Zeit betrieb Richard Beckert, genannt “Strick-Beckert”, hier im Hause seine kleine Firma.

Richard Beckert machte aus sogenannter englische Wolle neue Socken und reparierte alte Socken.

Wir sehen das Ehepaar Beckert unten aus dem linken Erdgeschossfenster schauen.
Folgende Familiendaten sind bekannt:

Beckert Richard, Inhaber der Strickerei
Beckert Minna, dessen Frau
Beckert Rudolf, der gemeinsamer Sohn
Beckert Asta, Ehefrau von Rudolf

Beckerts hatten mindestens eine, wahrscheinlich aber zwei Töchter, zu diesen sind jedoch zum Zeitpunkt keine weiteren Daten vorhanden.

 

 

 

Richard Beckert in seiner Werkstatt. Die 1920er Jahre.

Richard Beckert in seiner Werkstatt. Die 1920er Jahre.
(Foto: Haus & Grund Einsiedel)

Beckert produzierte Socken bis zum Kriegsanfang im September 1939. Dann waren keine Rohwaren mehr verfügbar und er konzentrierte sich auf die Reparatur von Socken. So ging das den ganzen Krieg hindurch, im späteren Kriegsverlauf wurden auch noch Flüchtlinge aus den Ostgebieten und Volksdeutsche in den Werkstatträumen untergebracht.

Zeitungsannonce aus den 1930er Jahren.

Zeitungsannonce aus den 1930er Jahren.

Richard Beckert hatte mittlerweile auch das Rentenalter erreicht und gab das Geschäft auf, seine Maschinen wurden bei Seite geräumt, um so Platz für die Flüchtlinge zu schaffen.
Beim Bombenangriff am 5. März 1945 wurde das Gebäude teilzerstört, es wies Risse auf und sämtliche Fensterscheiben waren defekt. Granitpflastersteine von der Bahnhofsstraße wurden durch eine Detonation bis in einzelne Räume hier im Hause getrieben.
Die Flüchtlinge wurden sofort umquartiert, das heißt, sie wurden in andere Orte gebracht.

Beckerts Schwiegersohn (Vorname?) Müller, der in der Hans-Schemm-Straße 19 (Einsiedler Neue Straße) ein Elektrogeschäft betrieb, bezog die vormaligen Strickerei-Räume. Müller hatte das Gebäude Hans-Schemm-Straße 19 erst 1937 oder 38 errichtet und war nun ausgebombt, da dieses Gebäude schwer beschädigt worden ist. Müller selbst installierte Elektroanlagen, seine Frau hatte dort in den Räumen einen kleinen Laden mit diversen Elektroartikeln wie Glühbirnen, Steckdosen usw. Nachdem Müller bereits 1946 sein Gebäude wieder errichtet hatte, ging er dahin zurück.
Richard Beckert beabsichtigte, seine Strickerei noch einmal zu eröffnen, da er Bedarf erkannte. Seine Frau war aber strikt dagegen. Es heißt, sie hätte seine Maschinen, die teilweise beim Angriff beschädigt worden waren, runter in die Eisengießerei Leimbrock schaffen lassen, um sie zu verschrotten. Das allerdings ist nur schwer vorstellbar, in einer Notzeit, wo man grundsätzlich auf alles angewiesen ist, und sei es zum Tauschen.Textilwaren Emil Beckert Einsiedel

Die nebenstehende Postkarte vom 20. April 1922 hatten wir ursprünglich ebenfalls hier bei der Hauptstraße 64 einsortiert. Indes haben Nachforschungen ergeben, dass Emil Beckert in der Anton-Herrmann-Straße 31 eine Art Condór betrieb. Wir lassen die Karte aber zusätzlich hier, um gegebenenfalls anderen Heimat- und Ahnenforschern eine Hilfe zu geben.

Nach Kriegsende wurde das Gebäude Hauptstraße 64 fast unverändert wieder aufgebaut. Es blieb ein reines Wohnhaus für die gesamte DDR-Zeit.

Zeitungskiosk am Gebäude Einsiedler Haupttraße 64.

(Foto: Bernd Obermaier)

 

1991 wurde am Nordgiebel ein der Gemeinde Einsiedel abgekaufter Kiosk angebaut, in dem Bernd Obermaier am 2. April d. J. einen Zeitschriften-Shop eröffnete.

Im Juli 1992 bezog dieser Zeitschriftenshop dann einen Teil der Erdgeschossräume.

Schließlich verlegte Bernd Obermaier sein Geschäft am 1. Januar 1996 in größere Räumlichkeiten im neuen Gebäude Am Plan 6. Nachmieter hier in der Hauptstraße 64 war dann ab Februar 1996 die Fahrschule Otto.

 

 

 

 

 

 

 

Einsiedler Hauptstr. 64 am 14.04.16

14. April 2016

In den Ansichten oben und links erkennen wir im Unterschied zum Foto eingangs der Seite, dass der ehemals in der Mitte der Hausfront liegende Eingang verlagert wurde (um 1938) und dass die Dachgauben wohl in Folge der Kriegsschäden nicht mehr existieren.

Die auf dem Bild hier links mit Warnband verschlossene Zufahrt rührt wahrscheinlich daher, dass zum Zeitpunkt stets mittwochs vor dem Rathaus asylkritische Kundgebungen abgehalten wurden und die Teilnehmer wohl auf die Grundstücksgrenze hingewiesen werden sollten.
Der Eingang selbst befindet sich wie leicht erkennbar am Lessingring.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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