Einsiedler Brauhaus | 1885 bis 1903

Teil I: Einsiedler Brauhaus Emil Schwalbe („Brauerei Schwalbe“)

 

1885

Emil Schwalbe, Gründer der Brauerei Schwalbe

Emil Schwalbe

Der Chemnitzer Maschinenfabrikant Emil Schwalbe gründete das „Einsiedler Brauhaus, E. Schwalbe“ als Privatbrauerei.
Der Eintrag in das Chemnitzer Handelsregister vom 29. August 1885 gilt seitdem als offizieller Geburtstag des Brauhauses.
Vorher, am 1. Juni, erfolgte der erste Spatenstich, am 28. Juli die Grundsteinlegung in der ersten Liegenschaft der jungen Firma im Grundstück Hauptstraße 128. Dieses hatte Schwalbe bereits 1880 von einem gewissen Seiß erworben.
Am 27. Oktober 1885 feiert man Richtfest.

 

 

 

 

 

 

 

Erste Standort der Brauerei Schwalbe in der Hauptstraße 128Die Zeichnung rechts zeigt uns die Brauerei um 1890 in der Hauptstraße 128. Das Bild bedarf Erläuterung, da die Veränderungen zu unserer heutigen Zeit gravierend sind.

Bei den Brauereigebäuden um 1890 handelt es sich um den größeren Häuserkomplex im Hintergrund. Nach Errichtung des neuen Sudhauses 1908 wurden hier im Gut vorrangig die Pferde untergebracht. Dieses Gut kaufte 1927 der Einsiedler Wilhelm Müller, der in der Herrmannstraße eine Spedition betrieb. Seine Nachfahren besitzen das Grundstück noch immer und umgangssprachlich es heißt auch heute noch „Müller-Gut“.

Das vordere Gut auf der Zeichnung nannte man „Steinert-Gut“, bevor es durch Hedwig Schwalbe (die Ehefrau Emil Schwalbes, zum Kaufzeitpunkt bereits seine Witwe) gekauft und der Brauerei zugeschlagen wurde. Dieses Gut ging bei den Bombenangriffen 1945 unter und existiert heute nicht mehr.

 

 

 

 

 

Das Müller-Gut in Einsiedel 1975

Das Foto rechts wurde 1975 vom Brauereiturm aus aufgenommen und zeigt das Müller-Gut im damaligen (und heutigen) Aussehen
(Foto: Peter Hollstein).

Sowohl auf der Zeichnung oben als auch auf dem nebenstehenden Foto gut zu erkennen: der artesische Springbrunnen zwischen beiden Gütern, es gibt ihn noch heute.

Auf der Zeichnung oben sehen wir vor dem Springbrunnen eine große Scheune, wir erkennen den Giebel, der zur Hauptstraße zeigt. Vor diesen Giebel steht heute das Haus des „Lohs-Malers“, auf dem Foto am rechten Bildrand teilweise zu erkennen (heute Einsiedler Hauptstraße 130).

 

 

 

 

 

 

1886

Am 22. Februar wird das erste Fass Bier ausgestoßen. Die anfängliche Kapazität liegt bei 5.000 hl im Jahr. Der Hektoliter (entspricht 100 Liter) kostete damals bei Einfachbier 7,00 Mark, bei Lagerbier 17,50 Mark. Zwischen Februar und August wurden genau 3.684 hl verkauft, was einen Umsatz von 33.238 Mark brachte.
Schon damals wurden – wie auch heute – die als Nebenprodukt anfallenden Treber (ausgelaugte, aber sehr eiweißreiche Malzrückstände), als Rinderfutter abgegeben.

 

1887

Warenzeichen der Brauerei Schwalbe 1887Am 24. März werden die ersten Warenzeichen für die Biere eingetragen.

Rechts sehen wir diese Warenzeichen in einer Reproduktion des heutigen Brauhauses (nach 2000). Man ließ die Warenzeichen und auch viele andere alte Fotos nachdrucken und gab diese als Kalender neu heraus.
Was an sich ein guter Gedanke ist, kehrt sich nebenstehend durch schlechte Recherche und Ausführung der beauftragten Werbefirma ins Gegenteil.
Wenn man schon Fraktur-Schrift wählt, um ein gewisses Alter zu suggerieren, sollte man sich mit der Schriftart vertraut machen, insbesondere das „lange s“. Dies verwendet man nur innerhalb eines Wortes wie „Einsiedler“, aber niemals am Schluss wie bei „Brauhaus“ oder „Nachmittags“, dort schreibt man stets ein „kleines s“. Genauso wird ein „kleines s“ genommen, wenn man zwei Substantive zusammensetzt, wie nebenstehend bei „Amtsgericht“.
Nun, wir gehen mal davon aus, dass es den meisten Kalenderbesitzern gar nicht aufgefallen ist, deshalb weiter mit der Zeittafel …

Bemalter Giebel am Wohnhaus der Brauerei Einsiedel

Fraktur-Schrift, wie sie sein soll. Giebelbemalung am 1993 abgerissenen Gebäude Einsiedler Hauptstraße 148. Aufnahme aus den 1960er-Jahren, Foto Max List.

 

1895

Belegschaft der Brauerei Schwalbe 1898Bereits zehn Jahre nach Gründung reicht die Kapazität nicht mehr aus. Die Sudhausanlage wird auf 50.000 hl erweitert, der Würzekessel hat 90 hl Inhalt. Mit dem Neubau eines Maschinen- und Kesselhauses geht auch der Bau neuer Kellereien und Brunnen sowie die Erweiterung der Kühlanlage einher.
Ein kombinierter Galloway-Dampfkessel mit 100 m² Heizfläche wird aufgestellt.
Beschwerden der Anwohner erzwingen den Bau einer Klärgrube.

 

1896 bis 1898

… wird die Kelleranlage erweitert. Neu gebaut wird eine Reparaturwerkstatt mit Schmiede. Eine Kammer zur Trocknung des Trebers wird eingerichtet und ein Generator aufgestellt.
Rechts ein Belegschaftsfoto aus dem Jahre 1898.
(Foto: Einsiedler Brauhaus)

 

 

 

Briefkopf Einsiedler Brauhaus 1898

Auch von 1898 ist dieser Briefkopf. Es war damals allgemein üblich, dass die Fabrikanlagen bei Geschäftsbriefen im Kopfteil abgebildet wurden. Gerne wurde dann bei diesen Zeichnungen ein wenig geschummelt und das Areal oder die Gebäude größer dargestellt oder auch fremde Infrastruktur wie Bahngleise näher ans eigene Grundstück gerückt.
Im rechten Teil der Zeichnung noch einmal die Abbildung, die wir weiter oben bereits präsentierten. Gose wird übrigens bei „Einsiedler“ schon ewig nicht mehr gebraut.

Restaurant zum Bahnhof, Ansichtskarte um 1904 mit Brauerei SchwalbeInteressant aber oben links der als „Lagerbierbrauerei“ bezeichnete Gebäudekomplex. Das Bild gibt wieder, wie man ihn sich zum Zeitpunkt wohl vorstellte bzw. geplant hatte. Zehn Jahre später wird mit dem Bau des neuen Sudhauses diese Idee in ähnlicher Weise umgesetzt.
Zum Zeitpunkt, also 1898, war die Brauerei noch viel kleiner. Rechts eine Ansichtspostkarte, sie lief postalisch am 20. September 1904 und zeigt uns in einem kleinen Ausschnitt die Bebauung der „Brauerei Schwalbe“ um die Jahrhundertwende.
Auch der König, jetzt mit Bierglas und Hopfendolden statt wie oben (unerklärlicherweise) mit Weinglas und Rebstock, findet sich wieder. Das Foto vom Brauerei-Areal haben wir im Teil II noch einmal etwas größer eingestellt.
Was aber auf dem Briefkopf der Realität entsprach, war das zum Zeitpunkt zweistöckige Kontorgebäude (Verwaltungsgebäude) vor den Brauereianlagen.
1906 wird es aufgestockt und erhält sein heutiges Aussehen einschließlich des bemalten Fries.

 

1900

Der Eiskeller wird in einen Gärkeller umgebaut.

 

1901

Der Jahresausstoß erreicht 37.000 hl. Der sogenannte Hofbrunnen wird gebaut. Emil Schwalbes Sohn Karl wird an der Seite seines Vaters tätig.

 

1902

Der Lagerkeller wird erweitert, was sich in den Folgejahren fortsetzt.

 

1903

Man beschließt die Umwandlung des Brauhauses in eine Aktiengesellschaft.

 

Was sonst noch geschah:
Die Herstellung von Eis, welches in den Gaststätten ringsum zur Bierkühlung benötigt wurde, wird ein weiterer Geschäftszweig des Brauhauses. Die beiden Teiche links der Eibenberger Straße landwärts dienten der Eiserzeugung bis etwa 1920. Ständig steigender Bedarf erwirkte eine Umstellung auf Kunsteis, das bis 1945 hergestellt wurde. Die beiden Fotos unten (nach 1910) zeigen uns die sogenannten Eiswagen, die entsprechend ihrem speziellen Einsatzzweck isoliert waren.

Eiswagen des "Einsiedler Brauhauses" vor dem Ballhaus "Bellevue" in Chemnitz
Eislieferung: vom Brauhaus ins Ballhaus „Bellevue“, Chemnitz Kapellenberg, Goetheplatz. (Foto: Axel Fröhlich)

Was der Großvater noch wusste oder die Geschichte am Rande …:

Was der Großvater noch wusste ...

Schon „Zu Kaisers Zeiten“ gab es an den Sonntagen Brauereibesichtigungen. Gesangs- und andere Vereine sahen hier ihr Ziel für gesellige Ausflüge. War es einerseits die Besichtigung des Hauses und der Produktionsabläufe, war ein weiterer Aspekt die Bierverkostung. Nicht selten gewann Aspekt zwei die Überhand und es war selbst bei den Gesangsvereinen nicht mehr nachvollziehbar, ob sie auf dem Heimweg ihrem Vereinszweck huldigten oder wie die „Standard-Betrunkenen“ ihre Bierseligkeit in schlecht gesungenen, dafür aber umso lauter interpretierten Weisen von sich gaben …


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