Einsiedler Hauptstraße 124

„Kempe-Maler“ und „Stahlhelmheim“

 

Beginnen wir diese Seite gleich mit zwei Fotos, die uns die einschneidenden Folgen des Zweiten Weltkrieges mit dem Bombardement von Einsiedel recht deutlich vor Augen führen. Das Gebäude in der Hauptstraße 124 eignet sich als mahnendes Beispiel dafür gut, der „Vor-und-nach-1945-Vergleich“ ist gravierend.

Wechsel Ortgruppenleiter NSDAP Einsiedel 1939Hauseigentümer der Nr. 124 war damals der Malermeister Hans Kempe, außerhalb seiner beruflichen Betätigung letzter Ortsgruppenführer der NSDAP in Einsiedel, bis die Partei im Mai 1945 verboten wurde.
In der nebenstehenden Zeitungsannonce vom 1. Juli 1939 lesen wir, dass Hans Kempe dieses Parteiamt am 3. Juli 1939 angetreten hat.
Nach dem Krieg im Zuge der Entnazifizierung erfasst, wanderte Hans Kempe eine Zeit lang ins Gefängnis.
(Annonce: Ingobert Rost)

Schriftzug Bäckerei Nötzel EinsiedelEin Beispiel seiner Tätigkeit als Maler trat 2008 wieder zu Tage, als im Nachbargebäude Hauptstraße 122 die Fassade erneuert wurde. Unter der alten Holzverkleidung kam das ehemalige, handgemalte Firmenschild wieder zu Vorschein. Der Name „Kempe“ ist noch deutlich zu erkennen.

Der Kempe Maler hats gezeichnet...

Seiner Tochter war später als sogenannte Neulehrerin an der Einsiedler Schule tätig.

 

 

 

 

 

 

 

Der Kempe-Maler in der Einsiedler Hauptstraße 124 in den 1930er Jahren. Aufgang zur Heim des Stahlhelms.

(Foto: Matthias Kreisel)

Aber wir gehen nochmals zurück. In den 1930 Jahren entstand das Foto links. Wir wollen den Blick des Betrachters einmal auf die Tafel mit dem Stahlhelm links von der Personengruppe wenden.
Diese Tafel war ein Wegweiser, dazu eine kurze Geschichte. 1930 stellte der Eigentümer des Nachbargutes, Wilhelm Müller, dem Erzgebirgszweigverein Einsiedel einen schmalen Streifen seines Grundstücks bereit, damit dieser auf der hangaufwärts liegenden “Körnerhöhe” einen Aussichtspunkt errichten konnte, der für jedermann zugänglich sein sollte. Wir lesen in den Aufzeichnungen des Erzgebirgsvereins: „Besondere Freunde erregte die Mitteilung, dass sich Herr Gutsbesitzer Wilhelm Müller bereit erklärt hat, einen bequemen Zugangsweg von der Hauptstraße aus nach der Körnerhöhe zu eröffnen, deren Ausbau und Bekrönung mit einem hölzernen Riesenpilz (wie vor Jahren schon) der Verein übernehmen wird.

 

Aus dem Vorhaben wurde nichts, die Familie Robert Leibfried hatte 1931 das Grundstück gekauft und dort das sogenannte “Stahlhelmheim” (Blockhütte) errichtet. Wir lesen beim Erzgebirgsverein:“ Zu bedauern ist leider, dass die Körnerhöhe, für deren Ausbau und Erschließung der E.V. sein ganzes Vermögen geopfert hat, nicht mehr der Öffentlichkeit zugängig ist.

 

Nur die Mitglieder des Stahlhelms durften fortan den Aufgang benutzen, der damit auch einen Namen erhielt: “Stahlhelmweg”. Die Organisation führte oben im Gelände ihre Zusammenkünfte und paramilitärischen Ausbildungen durch.

 

Schutzhundeausbildung Stahlhelmheim Einsiedel

(Foto: Ingobert Rost)

Am 25. Dezember 1932 lesen wir im „Wochenblatt für Einsiedel“: „Einbrüche. In der Zeit vom 14. bis 19. des Mts. wurde in das auf der Körnerhöhe gelegene Stahlhelmheim eingebrochen. Die Täter haben einen Fensterladen aufgewuchtet, das Fenster eingedrückt und sind dann in den Unterkunftsraum eingedrungen, dort haben sie auch das kleine Kellerloch erbrochen. Unter Mitnahme von zwei Fahnen, Lebensmitteln und Essbestecken (Hirschhorngriffe), die einen Wert von annähernd 90 Mark darstellen, sind die Einbrecher auf gleichem Weg wieder verschwunden.

Vorstehende Daten zum Vorhaben des Erzgebirgsvereins und zum Stahlhelmheim nebst Einbruch-Artikel von Ingobert Rost – Vielen Dank!

 

Foto links:
Schutzhundeausbildung am Stahlhelmheim

 

 

 

Das „Stahlhelmheim“ gibt es also bis in unsere Tage. Heute ist es dass, was es eigentlich die ganzen Jahrzehnte lang war: eine Blockhütte. Wenn auch in wirklich gutem Zustand, ihr Alter sieht man ihr nicht an.

 

Stahlhelm-Logo, hier als Anstecknadel

Stahlhelm-Logo, hier als Anstecknadel

Hintergrundwissen „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“:
In der Weimarer Republik gab es bei den demokratischen Parteien für soldatische Traditionen wenig Verständnis (also ganz ähnlich wie heute…).
Eine sträfliche Missachtung ob der Millionen Teilnehmer des 1. Weltkrieges, die ihren Einsatz für das Vaterland durch die neue Republik nicht gewürdigt sahen. Diese Problematik wurde jedoch baldigst von der politischen Rechten erkannt. Bereits kurz nach Kriegsende, im Dezember 1918 gründete Franz Seldte in Magdeburg den „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“. In dieser neuen Organisation sollte das Wirken der Weltkriegsteilnehmer Anerkennung finden. Der „Stahlhelm“ war paramilitärisch organisiert. Für seine bis 1930 auf 500.000 angewachsenen Mitglieder galt die Wehrsportpflicht, so sie dafür körperlich tauglich waren.
Eindeutig oppositionell zur Demokratie der Weimarer Republik eingestellt, bildete der „Stahlhelm“ im Oktober 1931 mit der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und der „Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), welcher er von Anfang an nahe stand, die „Harzburger Front“.
Nach der Machübernahme im Deutschen Reich durch die NSDAP wurde der „Stahlhelm“ unter der Bezeichnung “Nationalsozialistischer Deutscher Frontkämpferbund” 1934 organisatorisch in die Sturmabteilungen (SA) eingegliedert („Freiwillige Gleichschaltung“) und dann 1935 als Traditionsverband aufgelöst.

 

 

 

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