Großes Mehrfamilienhaus – 1945 zerstört
Nur wenige Daten gibt es zum dem prachtvollen Mehrfamilienhaus, welches bis zum 5. März 1945 in der Seydelstraße 14 stand.
Sehen wir uns die beiden historischen Bilder an, um eine visuelle Vorstellung für das Gebäude zu bekommen.
Die linke Aufnahme wurde wohl 1909, die rechte wahrscheinlich 1912 aufgenommen worden. Die Personen auf den Bildern sind zu Großteil identifiziert.
(Fotos: links Johanna Krill, rechts Jürgen Krauß)
Zum Zeitpunkt gehört das Grundstück den Eheleuten Anna und Albin Ficker. Die Aufnahme ist vom 30. Juli 1927.
(Foto: Gabriele Hähle)
Das Foto links, sehr wahrscheinlich aus dem Jahre 1914, gewährt uns einen Blick in den Garten der Seydelstraße 14. Auch hier sind viele der abgebildeten Personen bekannt.
In der Mitte am Tisch mit weißer Bluse die „Patronin“ Anna Ficker.
(Fotos: Gabriele Hähle)
Zwei im „Alten Einsiedel“ sehr bekannte und für das Kulturschaffen im Ort recht wichtige Personen wohnten in der Seydelstraße 14.
Zum einen der bekannte Musiker Karl Ficker, einer der Söhne der Hausbesitzer. Über ihn gibt es einen sehr umfangreichen Artikel, erstmals erschienen im „Einsiedler Anzeiger“ Dezember 2013. Die Verfasserin, seiner Enkelin Gabriele Hähle, hat uns diesen Beitrag zur Verfügung gestellt, so dass wir ihn den Lesern des Heimatwerkes Einsiedel hier präsentieren können.
(Foto: Gabriele Hähle)
Zum anderen wohnte in der Seydelstraße 14 auch der Einsiedler Heimatforscher Otto Kämpfe in den 1920er Jahren im Erdgeschoss rechts. Auch über ihn wollen wir kurz berichten:
Otto Kämpfe, * 11. August 1886 in Reichenbrand, † 10. Februar 1960 in Einsiedel
Er berichtete unter dem Künstlernamen “Ernst Einsiedler” im “Einsiedler Wochenblatt” über die Geschehnisse im Ort. Er verfasste Gedichte über seinen Heimatort wie auch Theaterstücke, die von Laienkünstlern (z.B. Dramatischer Verein Einsiedel) aufgeführt wurden. Auch war Otto Kämpfe viele Jahre lang Kirchbuchführer in Einsiedel.
1940 wurde der Entwurf seines Buches “Einsiedel – ein Buch der Heimat” fertiggestellt. Teile daraus wurden über die “Brücke”, eine von der örtlichen NSDAP herausgegebene Blattsammlung, nach und nach zu den Einsiedler Soldaten an die Front gesandt.
Einige Sätze von Otto Kämpfe aus den “Heimatbildern” im Einsiedler Wochenblatt vom 14. Mai 1938 haben bis heute nichts an ihrem Tiefsinn verloren und passen ganz ausgezeichnet auch in unsere heutige Zeit:
Es gibt viele Leute, die niemals rückwärts schauen, es sei denn, sie haben etwas verloren, die keine Erinnerungen pflegen und denen es als “modernen Menschen” höchst gleichgültig ist, was früher einmal war. Das sind die Menschen ohne Traditionen, ohne Ehrfurcht vor der Vergangenheit, Gegenwartsmenschen, die sich einbilden, der Anfang aller Dinge liege bei ihnen selbst. Ein altes, ehrwürdiges Haus reißen sie ohne Bedenken nieder. Der schönste Baum ist ihnen nur etwas wert, wenn er als Möbelstück in ihrer guten Stube steht, einen daraus gemachten Sarg schätzen sie allerdings weniger. An diese Leute wenden sich unsere Heimatbilder nicht.
…was soll man dem noch hinzu fügen!?
Zurück zum Gebäude.
Dieses wurde beim alliierten Bombenangriff in den Abendstunden des 5. März 1945 vollständig zerstört. Auf der nebenstehenden Zeichnung von Walter Viertel ist die Ruine vorne rechts gut erkennbar.
Wie uns Gabriele Hähle berichtete, waren die Besitzer Anna und Albin Ficker bereits 1936 und 1942 verstorben, so dass das Grundstück in das Erbe der drei Kinder Karl, Gertrud und Willy übergegangen war.
Die Ruine wurde abgetragen, das Kellergeschoss blieb aber erhalten. In den 1950er Jahren wurden dann – für die Zeit durchaus üblich – im Grundstück Kartoffeln, Rüben, Möhren usw. abgebaut.
1961 kaufte Willy Ficker das Grundstück und zahlte seine Geschwister aus. Nach dessen Tod verkaufte dann seine Witwe Else Ficker am 18. Oktober 1989 das Grundstück. Der neue Besitzer schließlich baute in den 1990er Jahren auf dem Keller des alten Hauses ein neues, kleineres Haus.
Oben links das heutige Haus in der Seydelstraße 14 am 31. März 2015. Für ein Einfamilienhaus ist es eigentlich recht groß. Wenn wir aber den Blick durch die Seydelstraße streifen lassen, sehen wir auch die Gebäude 20 und 18. Diese sind so groß, wie die untergegangene Nr. 14 einmal war …
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