Die „Friedenseiche 1871“ in Einsiedel

Friedenseiche Einsiedel 23. Mai 2014

Wohl die meisten von uns gehen oder fahren täglich an ihnen vorbei – den drei Eichen in unserem Ortszentrum – sämtlich Naturdenkmale.

Hier, in diesem Artikel, widmen wir uns der mittleren der drei, der

Friedenseiche 1871

 

Nicht nur vom Standort her ist sie die mittlere, sondern auch von Alter. Mit dem Pflanzjahr 1871 liegt sie zwischen Teuerungseiche (1847) und Luthereiche (1883).

 

 

 

 

 

 

Friedenseiche Einsiedel Winter 1928Ein Foto vom Kreuzungsbereich Hauptstraße/Harthauer Weg im Winter 1928. Links das Wohnhaus des ehemaligen Pfarrgutes an der Harthauer Straße 2 (links daneben befanden sich noch zwei zugehörige Wirtschaftsgebäude), dann die Friedenseiche 1871, weit dahinter das alte Postamt, der Bahnübergang, dahinter das Rathaus und das Wohnhaus Hauptstr. 85, ganz rechts dann Hauptstr. 87, zum Zeitpunkt mit dem Geschäft “Schokoladen-Selbmann”.
(Foto: Ingobert Rost)

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedenseiche Einsiedel 1. Mai 2005

Die gleiche Stelle, 1. Mai 2005. Das beim Bombenangriff zerstörte Pfarrgut ist heute ein wesentlich niedrigeres Wohnhaus, welches auf den Grundmauern der Ruine wiedererrichtet wurde. Ebenfalls zerstört und in anderer Architektur neu erbaut: die Post. Fast ohne Schäden das Rathaus. Die weiße Giebelseite gehört zur Hauptstr. 83, das rote Satteldach ist die Hauptstr. 85. Heute auch wesentlich größer als vor der Zerstörung: das Gebäude Hauptstr. 87.

Ordentlich in Größe und Umfang hat im Laufe der Jahrzehnte natürlich die “Friedenseiche 1871” zugenommen. Unter dem 9. August 2009 sind wir einer Bitte des “Deutschen Baumarchivs” nachgekommen, welches um eine Vermessung des Stammumfanges einen Meter über Boden bat. Der Wert betrug an diesem Tag 3,13 m.

 

 

 

 

 

 

Friedenseichen wie die Einsiedler hier gibt es in ganz Deutschland, die nächste steht nur wenige Kilometer entfernt in Berbisdorf. Die Häufigkeit lässt sich in unserer Geschichte ablesen, im Zuge des “Allgemeinen Landesfriedensfestes” 1871 wurden sie gepflanzt. Vorausgegangen war der für die Deutschen Staaten siegreiche „Deutsch-Französische Krieg“ 1870/71, der diese letztendlich in einem gemeinsamen Reich einte.

Die deutschen Bundesstaaten 1871.

Am 18. Januar 1871 wird im Spiegelsaal zu Versailles das (Zweite) Deutsche Reich gegründet. Dem vorausgegangen waren verschiedene Einzelverträge mit eben diesem Ziel zwischen dem Norddeutschen Bund und den Großherzogtümern Baden und Hessen (15.11.1870), dem Königreich Bayern (23.11.1870) und dem Königreich Württemberg (25.11.1870).
Wilhelm der I., König von Preußen, nahm durch Proklamation an das deutsche Volk die erbliche Würde des Deutschen Kaisers an. Dieser Kaiser ist der höchste Mann im Staate, seine Aufgaben sind sehr vielseitig und für das Land von immenser Bedeutung. Fehlentscheidungen können ungeahnte Folgen haben. Ihm stehen die Ausfertigung und Verkündung der Reichsgesetze zu, er erklärte im Namen des Reiches Krieg und Frieden, ist Oberbefehlshaber über die gesamte Armee und er kann den Bundesrat berufen oder schließen. Er ernennt und entlässt die Reichsbeamten, auch den ersten Beamten im Reiche, den Reichskanzler.
Die Verfassungsurkunde für das Deutsche Reich trat am 4. Mai 1871 in Kraft. Dieses Deutsche Reich ist ein “Ewiger Bund“ von 25 deutschen Staaten und wird sich innerhalb weniger Jahrzehnte zur einer hochgerüsteten, anerkannten und gefürchteten Industriemacht entwickeln. Reichshauptstadt wird Berlin.

Friedenseiche mit Weihnachtsschmuck

 

Advent 1972, der Eiche wurde ein Weihnachtkranz umgelegt. In diesen Jahren fand der Einsiedler Weihnachtsmarkt an mehreren Wochenenden statt und war auf dem Plan aufgebaut.
(Foto: Bernd Obermaier)

 

 

Nachfolgend zwei andere alte Aufnahmen, wohl die 1960er Jahre. Die volkskünstlerische geschnitzte kleine Familie „wanderte“ Richtung Fischzuchtgrund und befand sich auf der kleinen dreieckigen Verkehrsinsel, die die Eiche bis heute umgibt.
Bemalt wurde sie von einem Felix Neubert, der auf dem Lessingring wohnte, früher im Erzgebirgszweigverein Einsiedel und später dann im Kulturbund der DDR (offensichtlich sehr rührig) mitarbeitete. Es ist unklar, ob dieser die Figuren auch schnitzte.
(Foto: Ronald Hampel)

Die andere Aufnahme ist aus der Gegenrichtung, im Hintergrund das Grundstück Hauptstr. 87.

 

Am 25. März 2017 wurde das große Hinweisschild an der Friedenseiche erneuert, nach dem der Vorläufer dort durch Witterungseinflüsse stark verschlissen war. Der Text ist mit jenem identisch, nur wurde dieses Mal ein wesentlich hochwertiges Material (sog. „Aludibond“) verwendet und das Schild durch zwei kleine Grafiken visuell aufgewertet. Finanziert wurde es durch den Ortschaftsrat Einsiedel über den „Grünpflegefond“ der Stadt Chemnitz.

 

1871
Friedenseiche

Diese Eiche
– gepflanzt von Einsiedler Bürgern –
ist dem Friedensschluss im
Deutsch-Französischen Krieg 1870/71
und der Gründung des
Deutschen Reiches
am 18. Januar 1871 gewidmet.

Die Gemeinde Einsiedel
hatte in diesem Krieg
einen Toten zu beklagen.

Unsere Vergangenheit ist immer
auch ein Teil unserer Gegenwart.

 

Bei dem Toten handelt es sich um den Jäger Hans Tröger vom II. Jägerbataillon Nr. 13. “Jäger” ist hier als militärische Klassifizierung der Waffengattung und nicht im weidmännischen Sinne zu verstehen.

Alltag:
Vereinzelt, vermutlich einmal jährlich, werden derartige Naturdenkmale durch kommunale Angestellte inspiziert. Es wäre ungerecht, zu behaupten, die Stadt Chemnitz würde sich um diese nicht kümmern. Pflegeschnitte erfolgen bei Bedarf, wie hier am 25. November 2016 (unten links). Aber der Baum wächst freilich auch in die andere Richtung und die Wurzeln machen Probleme, wenn sie sich in die Kanalisation ausbreiten (unten rechts, 6. August 2014). Auch der Pfahl, an dem das Schild befestigt ist, weist eine leichte Neigung nach links aus, da eine Wurzel dessen Fundament hebt.

 


 

Einsiedler Hauptstraße