Einsiedler Hauptstraße 45

Ehemalige Ortslistennummer/Brandkatasternummer (nicht bekannt)

Café Schmidt, heute Konditorei & Café Fiedler

Also eigentlich hatten wir in unserem Archiv etwas ganz anderes gesucht, sind aber bei dem nachstehenden Foto hängen geblieben und haben ein klein wenig recherchiert. Und zwar mit „Bordmitteln“, soll heißen, wir haben das Büro nicht verlassen, um beispielsweise im „Stadtarchiv Chemnitz“ oder an anderer Stelle weitere Details zu finden.
Und so stellt der nachfolgende Text erst einmal eine Seite in unserem Bereich der „Kurzen Artikel“ dar, die sicherlich irgendwann erweitert wird.
Aber vorher präsentieren wir das, was an diesem trüben, regnerischen Herbstnachmittag herauszufinden war.

Los geht es mit dem nachfolgenden Foto, das undatiert ist, allerdings recht gut auf wenige Jahre eingegrenzt werden kann.

Café Schmidt, Einsiedel, um 1900.

Es handelt sich wohl um den Inhaber Bernhard Schmidt, der da stolz auf der Treppe zu seinem Café steht. In unseren Unterlagen (Adressbüchern) taucht er 1913, 1926 und 1927 unter „Bäckerei“ oder „Bäckermeister“ auf, nicht aber in der Ausgabe 1897. In letzterem gibt es auch keinen Bernhard Schmidt unter den „normalen“ Einwohnern, also solchen, die kein Gewerbe betrieben.
Das muss nicht heißen, dass er von auswärts zugezogen ist, er kann durchaus einer Einsiedler Familie entstammen, denn „Schmidt“ war auch schon seinerzeit kein seltener Name.
Jedenfalls glauben wir, dass er wohl zwischen 1898 und 1902 seine Bäckerei mit Café in der Hauptstraße 45 eröffnete. Wir stützen uns dabei auf detaillierte Betrachtungen des obigen Fotos.
Los geht’s mit den Aufschriften auf Fassade und Fenstern – klassischer Jugendstil. Nun ja, da haben wir den Kernzeitraum 1890 bis 1910, aber die Worte „Cacao“ und „Thee“ in den Fenstern rechts verraten dem Kenner mehr. In der „Orthographischen Konferenz von 1901“ wurden Reformen beschlossen und ab 1902 wurde die damals standardisierte deutsche Rechtschreibung in den Ländern des Deutschen Reiches, in Österreich und der Schweiz mit geringen Änderungen einheitlich verwendet.
Bei deutschen (heimischen) Wörtern kam beispielsweise das h nach t in Fortfall, siehe oben „Thee“. (Der Klassiker für Einsiedel ist hier wohl „Thalsperre“.) Auch das c wurde in vielen Worten durch k ersetzt („Kakao“).
Und so denken wir, dass die Werbeagentur, diese die Scheibenbeklebung realisierte, nicht vollkommen an der gängigen Rechtschreibung vorbeigeschlittert ist und die Aufschriften somit vor oder dann spätestens Anfang 1902 angebracht wurden.
Auch fehlt noch die Hausnummer 45, die um etwa 1900 das bis dahin gebräuchliche System der Ortslistennummern in Einsiedel ablöste.

1937 kauften Willy und Helene Uhlig die Bäckerei. Beide waren vom Fach und hatten schon in zweiter Generation seit 1924 im Familienbetrieb die Bäckerei in Oelsnitz, sowie Filialen in Stollberg und Taucha betrieben.

Geschäftsbrief Willy Uhlig, postalisch gelaufen am 11. März 1949
Konditorei Fiedler in Einsiedel 1987

Die Konditorei Fiedler (links, ohne Außenreklame) im März 1987.
(Foto: Andreas Weidmüller, Mönchengladbach)

Mit Tochter Christa und Schwiegersohn Siegfried Fiedler übernahm 1956 die dritte Generation.

Und es blieb alles in Familie, als 1980 Stephan und Kerstin Fiedler die Tradition fortsetzten.
Beide führten den Betrieb durch die Zeiten der Wende und integrierten auch wieder ein kleines Café in den Geschäftsräumen.

Werbeanzeige Konditorei Fiedler, Einsiedel, 1994

Werbeanzeige 1994

 

 

 

 

 

 

Konditorei und Café Fiedler, Einsiedel, 2004
31. Oktober 2004

Seit 1. Januar 2018 führt Tochter Sandy Fiedler das traditionsreiche Handwerk in nunmehr fünfter Generation an gleicher Stelle fort. Bewährungsproben wird es genug geben und stellvertretend für die Unwägbarkeiten des Lebens soll eines unserer vielen „Corona-Fotos“ präsentiert werden. Das erste veröffentlichte übrigens hier im Heimatwerk.

3. Mai 2020, „Corona-Zeit“:
Abgesperrte Bänke, Abstandsmarkierungen und reichlich Zettel mit Hygiene- und anderen Hinweisen an der Tür.

Ein interessantes Detail noch zum Schluss: Auch hier wieder Jugendstil-Schrift in den rechten Fenstern. Allerdings nicht identisch mit der Schriftart auf dem Bild eingangs der Seite. Diese hier nennt sich „Arnold Boecklin“, es gibt sie seit 1904 …


Heimatwerk Einsiedel sagt Danke!

 

Für die Unterstützung zu dieser Seite bedanken wir uns bei:

  • … beim Wetter. Hätte es nicht geregnet, wäre diese Seite in unbestimmter Zukunft einmal entstanden.  🙂

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Erinnern möchten wir an dieser Stelle an einige Bäckereien aus Einsiedel, die es heute nicht mehr gibt.


Einsiedler Hauptstraße

1 Kommentar

Einsiedel, wie es einmal war… (18. Oktober 2020) – Einsiedel.net – das Portal für Einsiedel

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